Franz Kafka: Kleine Fabel - Lauf nicht in die Falle und vertraue nicht der Katze!

 

 

Franz Kafkas Fabel zeigt uns zwei Tiere, die auch im Tierreich einer natürlichen Hierarchie ausgesetzt sind. Die Katze ist der natürliche Fressfeind der Maus. Die Maus ist in der Nahrungskette weit unten angesiedelt.

Kafkas Maus beklagt ihre persönliche Lebenssituation, welche eine für den Menschen typische ist. Eine anfangs so breite und Angst machende Welt wird mit zunehmender Lebensdauer immer enger. Die Angst vor der Breite wandelt sich in eine Angst vor der Enge, die unweigerlich in eine Falle führt. Die anfängliche „Breite“ im Leben der Maus mit ihren verschiedenen Möglichkeiten wurde von dieser nicht genutzt, weil die Angst vor den Gefahren, die in der „Breite“ lauern, stärker war. Die in der Ferne auftauchenden Mauern erwecken in der Maus die Erwartung auf Sicherheit und verursachen ein kurzes Gefühl des Glücks. Beim Nähern dieser Mauern allerdings muss die Maus erkennen, dass die Mauern „aufeinander zu“ eilen und eine immer stärker werdende Enge erzeugen, die schließlich in eine Falle mündet. Zu spät muss die Maus erkennen, dass die Gefahr, die von der „Breite“ ausging, viel offener und harmloser war, als die Unweigerlichkeit und Unausweichlichkeit der Enge. Da hilft auch der Rat der Katze nicht, die ihr zu einer Änderung der „Laufrichtung“ rät. Denn am Ende dieses Weges steht genau diese und frisst die Maus.

 

Was lernen wir nun aus Kafkas Fabel? Dass Mäuse ohnehin keine Chance haben, weil die Natur sie ganz unten in der Nahrungskette angesiedelt und der Mensch sie als Feind auserkoren hat? Diese Lehre wäre auf den Menschen übertragen eine sehr trostlose, aber natürlich nicht untypische für Franz Kafka.

Soll die Lehre heißen, dass wir als Menschen es eigentlich gar nicht zu versuchen brauchen, da es für uns ohnehin kein Entkommen gibt, da am Ende eine böse Überraschung in Form eines unbekannten Todes für uns bereit steht? Sollen wir uns niederlassen und einfach aufgeben, da es ohnehin nicht gut für uns ausgeht?

 

Vielleicht liegt in diesem kleinen Text doch noch eine kleine Chance für uns verborgen, und zwar in der „Breite“ am Anfang der Lebens-Situation der Maus. Diese „Breite“ gibt uns die Möglichkeit, trotz aller Gefahren, die sie in sich birgt, frei zu sein. Wenn wir die Angst vor dieser Freiheit in unseren Möglichkeiten in den Griff bekommen, sind wir zwar auch nicht geschützt, aber wir begrüßen nicht die auf uns wartende Enge mit der Falle am Ende und müssen nicht den Rat der Katze annehmen, die uns ebenfalls ein grausiges Ende bereitet.