Kafka: der Film – Über die Problematik von Biopics anhand des Autors Franz Kafka

Kafka: der Film – Über die Problematik von Biopics anhand des Autors Franz Kafka

„Kafka“ von Steven Soderbergh (1991) und „Die Herrlichkeit des Lebens“ (2024) von Georg Maas und Judith Kaufmann

Kafka ist einer der Autoren, über die es eine extrem große Flut an Sekundärliteratur gibt, obwohl sein Werk von der Menge des Geschriebenen doch eher gering ausgefallen ist. Das, was ein Freund und Verleger Max Brod „gerettet“ hat, ist in keinem Fall vergleichbar mit den riesigen Hinterlassenschaften eines Thomas Mann oder eines Heimito von Doderer und trotzdem wurde so viel mehr darüber geschrieben, analysiert und philosophiert. Das mag natürlich an Kafkas Art zu schreiben liegen, aber auch an seiner Biografie, die sehr gut dokumentiert ist, da er selbst sehr viele Tagebuchaufzeichnungen und Briefe hinterlassen hat.

Um die Figur des Autors rankt sich ein Mythos, wie es ihn kaum bei anderen Autoren in derselben Art gibt. In gewisser Weise ist Franz Kafka der „Gott“ der Autoren, nach dem lange nichts kommt, bis sich langsam weit dahinter andere einreihen. Ich spreche hier von den „Autoren“, zu denen ich Kafka zähle, und nicht von den Dichtern aus früheren Epochen, die sich schwer mit Schreibenden der „Neuzeit“ vergleichen lassen. Diese Mythisierung des Autors Kafka macht es umso schwerer, den Menschen in einem biografischen Film, mit modernem Begriff „Biopic“, zum Menschen werde zu lassen. Im Jahr 2024 wurde dies in Filmen und Serien des Öfteren versucht, um den 100. Geburtstag Kafkas zu würdigen. Ich greife in diesem kleinen Essay einen dieser Filme heraus, nämlich die Verfilmung von Michael Kumpfmüllers Roman „Die Herrlichkeit des Lebens“, um ihn mit Steven Soderberghs Film „Kafka“ aus dem Jahr 1991 zu vergleichen. Ich mache dies hier in einer sehr subjektiven Art und Weise und kümmere mich nicht allzu sehr um Daten und Fakten, da diese heutzutage leicht überall nachgelesen werden können. Ich gebe hier meine ganz persönlichen Gedanken zur Darstellung Kafkas in diesen beiden Filmen wieder und bleibe dem Motto meiner Homepage treu, mich den Texten, und in diesem Fall den Filmen, ohne wissenschaftlichen und akademischen Anspruch mit möglichst wenig Recherche frei und unverdorben zu widmen. Die Leserinnen und Leser dieser Seite mögen mir dies weiterhin verzeihen.

Wir alle kennen die Portraits von Franz Kafka und haben ein Bild vor Augen, wie der Autor ausgesehen hat. Die wenigen Fotografien haben sich tief in das kollektive Bewusstsein der literarisch interessierten Menschen eingeprägt und dies macht Kafka zu einem weitverbreitet bekannten Menschen. Die Problematik, der Filmemacher ausgesetzt sind, ist, wie bei allen überaus bekannten Menschen, die Besetzung der Figur durch einen Schauspieler. Einfach gesagt: Soll der Darsteller der realen Person möglichst ähnlich sehen oder geht es um die Darstellung des Charakters? Dies ist bei den meisten prominenten Personen äußerst schwierig und manchmal scheint es sogar so, dass eine große Ähnlichkeit seltsamer und befremdlicher wirkt als eine weiter entfernte Physionomie. Denn wie ähnlich der Darsteller seiner Figur auch immer ist, es kann sich nur um eine Ähnlichkeit handeln. Dies mag jetzt alles etwas banal klingen, es spielt aber letztendlich doch eine große Rolle beim Betrachten des Filmes. Das Bild, das im Kopf des Zuschauenden existiert, erfährt eine Veränderung und Irritation. Es gibt unzählige Beispiele dafür. Das ist schon der erste Grund, warum ich mich mit Biopics nicht recht anfreunden kann, und ich denke, dass es einigen Menschen so wie mir geht. Die Frage stellt sich: Wie kann ein Filmemacher mit diesem Problem umgehen? Da sich die Annäherung über das Aussehen als problematisch gestaltet, ist es wohl am wichtigsten, sich dem Wesen, dem Charakter und der Persönlichkeit der Figur zu nähern.

Eine zweite Problematik ist die Darstellung der Biografie. Es kann sehr langweilig werden, die biografischen Fakten des Lebens einer prominenten Figur einfach abzubilden, da diese hinlänglich bekannt und oft weniger interessant sind als Lebensläufe „normaler“ Menschen. Denn Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, haben häufig weniger Möglichkeiten, ein „interessantes“ Leben zu führen, besonders im privaten Bereich, als jene, deren Taten nicht ständig unter Beobachtung stehen. Prominente „glänzen“ durch Aktionen oder künstlerisches Wirken und insofern hat der Regisseur die Aufgabe, das ohnehin bekannte Leben der Person in einem Film so darzustellen, dass neue und interessante Perspektiven der Biografie zur unterhaltsamen Darstellung gelangen. Es müssen, meines Erachtens, Mittel gefunden werden, die weit über die reine Verfilmung des Lebens der prominenten Persönlichkeit hinausgehen.

Die Darstellung Franz Kafkas in einem Film gestaltet sich nach diesen Überlegungen als besonders schwierig. Wie soll man sich diesem Mythos nähern und wie soll man der Verankerung des Kafka-Bildes in den Köpfen der Menschen gerecht werden?

Als erstes möchte ich den Film „Die Herrlichkeit des Lebens“ aus dem Jahr 2024 besprechen, der unter der Regie von Georg Maas und Judith Kaufmann erschienen ist, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Michael Kumpfmüller. Gezeigt werden die letzten Monate Franz Kafkas und seine Beziehung zu Dora Diamant. Der Darsteller des Autors, Sabin Tambrea, hat nicht sehr viel Ähnlichkeit im Aussehen mit Franz Kafka. Es wird versucht, die menschliche Seite Kafkas in den Vordergrund zu rücken, besonders seine Beziehung zu Dora. Diese begleitet Kafka auf seinen letzten Lebensstationen bis zum Tod. Basierend auf den Tagebuch-Aufzeichnungen und Briefen wird eine Liebesgeschichte erzählt, die zwar tragisch, aber auch „schön“ ist. Trotz Krankheit und dem nahenden Tod ist der Film geprägt durch humorvolle Momente und zeigt Kafka in alltäglichen Situationen, die man sich bei ihm schwer vorstellen kann.

Der Film zeigt die Verflechtung von einer neuen Liebe mit dem Vorgang des Sterbens. Die Geschichte ist an sich eine Metapher für die „Seltsamkeiten“ des menschlichen Lebens. Zu dem Zeitpunkt, an dem sich Kafkas Leben dem Ende zuneigt und die Krankheit so sehr in sein Leben tritt, dass er sie nicht mehr übergehen kann, kommt nochmals eine neue Liebe in sein Leben. Für diese Liebe gibt es keine Chance mehr, da die Zeit fehlt, um sie noch zu leben. Jedoch zeigt der Film auch eine andere Seite Kafkas, nämlich einen lebensbejahenden, ganz „normalen“ Menschen. Das ist die besondere Qualität dieses Films. So normal wurde Kafka noch nie dargestellt.

Für mich ist die Darstellung Kafkas in diesem Film sehr ungewohnt, da sie bei mir eher zu einer Zerstörung des Mythos geführt hat, was ja auch die Idee hinter dem Buch und hinter dem Film ist. Natürlich ist es klar, dass Franz Kafka ein Mensch gewesen ist, aber durch diesen Film wird für mich auch ein Stück Einzigartigkeit der „Figur“ Kafka zerstört. Sollte Kafka ein Mensch gewesen sein, wie er in diesem Film sich zeigt, so möchte ich nicht so gerne hinter die Kulissen blicken, wie man es sich ja auch bei manchen modernen Prominenten wünschen würde. Dieser Franz Kafka ist mir fremd und befremdet mich auch ein wenig.

Anders verhält es sich mit der Darstellung des Autors im Film „Kafka“ von Steven Soderbergh. Hier wird der Autor von dem Schauspieler Jeremy Irons verkörpert, der sicherlich auch nicht gerade als Double Kafkas fungieren könnte. Aber Irons schafft es durch seine schauspielerische Leistung den Charakter des Autors, wie er sich in seinem Werk zeigt, zum Ausdruck zu bringen. Allein durch seine Mimik und Gestik spielt die aussehensmäßige Ähnlichkeit keine große Rolle mehr. Der Zusehende hat das Gefühl, den wirklichen Franz Kafka vor sich zu haben. Gerade die Eigenschaften der Feinfühligkeit, der Ängstlichkeit, der Intelligenz und der Durchlässigkeit werden von Jeremy Irons in jeder Faser des Körpers und jeder Mimik zum Ausdruck gebracht. Der Film ist keine Biografie im herkömmlichen Sinne, sondern eine Art Kriminalfilm, der Leben und Werk des Autors verbindet und eine Kriminalhandlung konstruiert, welche die Verschwörung gegen die Machenschaften eines autoritären Staates zum Inhalt hat. Kafka lebt zurückgezogen als Versicherungsbeamter in Prag und seine schriftstellerische Tätigkeit bleibt im Verborgenen. Eines Tages erhält er Kenntnis von einer Verschwörung gegen den Staat, der durch das Schloss, den Prager Hradschin, symbolisiert ist. Als er die Gruppe der Verschwörer tot auffindet, beginnt für ihn eine Art Spießrutenlauf in seinem beruflichen und auch privaten Leben. Da er nicht weiß, ob jemand von seiner Mitwisserschaft Kenntnis besitzt, wittert er in jedem seltsamen Geschehen um ihn herum eine Gefahr. Kafka ist sich bewusst, dass im Schloss Vorgänge laufen, von denen niemand eine Ahnung hat, außer den inzwischen getöteten Verschwörern. Schließlich gelangt Kafka durch geheimnisvolle Umstände in das Schloss, in dem eine verrückte Gruppe von Wissenschaftlern dabei ist, Experimente an Menschen zu machen. Es soll ein gehirnmanipulierter Untermensch geschaffen werden, der die Machenschaften eines totalitären Regimes nicht erkennt und uneingeschränkten Gehorsam leistet. Kafka wird entdeckt, entkommt aber gerade noch den Verfolgern, wobei noch zu erkennen ist, dass das Experiment sich durch einen Fehler selber zu Fall zu bringen scheint.

Dem Grauen entkommen wird Kafkas Leben nun zu einem Alptraum der Angst. Er scheint verfolgt zu werden und ein Kommissar der Geheimpolizei bedroht ihn indirekt. Schließlich endet der Film damit, dass Kafka bei einem Hustenanfall zum ersten Mal Blut in ein Taschentuch hustet. Ein Hinweis auf seinen frühen Tod

Die Machart des Films ist in gewisser Weise Kafkas Art zu schreiben nachempfunden. Der Film ist in schwarz-weiß-Technik mit einer expressionistischen Bildsprache gestaltet. Die düstere Atmosphäre kommt der Atmosphäre in Kafkas Werken gleich. Stephen Soderbergh achtet weniger auf die Ähnlichkeit im Aussehen des Autors, sondern auf die Ähnlichkeit der Aussage in seinem Werk. Texte wie „Das Schloss“, „Der Prozess“ oder „Die Verwandlung“ finden Eintritt in den Film. Am Ende wird Kafka als der einzige Zeuge eines ungeheuren, späteren Geschehens, eine Vorausdeutung auf den Nationalsozialismus, gezeigt. Nur er weiß, was auf die Menschheit zukommt, aber durch den Hinweis auf die Krankheit am Ende ist klar, dass er dieses Geheimnis in den Tod mitnehmen wird.

„Der Herrlichkeit des Lebens“ hingegen hat diese filmischen Elemente nicht, sondern stellt Kafkas letzte Zeit ohne Beschönigung und Künstlichkeit dar.

Beide Filme haben ihre Berechtigung und sind gelungene Beispiele für Biopics, da sie dem Autor Franz Kafka in unterschiedlicher Art und Weise gerecht zu werden versuchen. Einmal in realistischer und einmal in metaphorischer Form. „Kafka“ von Steven Soderbergh ist eine Hommage an das Werk und die Denkweise Franz Kafkas, „Die Herrlichkeit des Lebens“ ist der Versuch, aus dem Mythos Kafka einen Menschen zu machen.